Fotos' dpd
2oauise Schr–der


Die Dreieinhalb-Millionenstadt Berlin zieht
augenblicklich das Interesse der ganzen Welt
auf sich. Und an der Spitze dieser groþen
Stadt steht seit fast eineinhalb Jahr eine
Frau,  die  stellvertretende  Oberb¸rger-
meisterin Louise Schr–der. Sie hat tapfer
ausgehalten auf ihrem Posten, wenn auch
die Situation oft sehr schwierig war und die
Wogen des politischenFanatismus sehrhoch
schlugen. Augenblicklich befindet sich Frau
Schr–der in einem Hamburger Krankenhaus,
um sich einer schweren Operation zu unter-
ziehen.
Wer ist nun eigentlich diese Frau, die schlicht
und einfach nur Louise Schr–der heiþt, von
der man bis dahin nur wenig geh–rt hat und
die doch in der Lage war, das Oberhaupt
einer so groþen Stadt zu sein?
Die 61j"hrige Berliner "Oberin", deren be-
scheidenes Wesen eine groþe G¸te ausstrahlt,
ist die Tochter eines Hamburger Bauarbeiters
und war von Beruf B¸roangestellte. Schon
in jungen Jahren wurde sie Mitglied der
Sozialdemokratischen Partei und der Gewerk-
schaften. Durch die Arbeit in der Gewerk-
schaftsorganisation lernte sie die Sorgen und
N–te der arbeitenden Frauen kennen und sah
immer mehr die Notwendigkeit ein, f¸r
bessere Lebensbedingungen der Frauen und
M¸tter zu k"mpfen. Als Leiterin des Altonaer
F¸rsoigeamtes erwarb sie sich Verdienste in
der Jugendf¸rsorge und Wohlfahrtspflege.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde sie Mit-
glied des Altonaer Stadtrates und des Schles-
wig-Holsteinischen Provinzial-Landtages. Als
eine der ersten Frauen wurde sie damals in
den Reichstag gew"hlt.
In der Hitlerzeit fristete sie ihr Leben als
Brotverk"uferin in der Filiale einer Groþ-
b"ckerei. Als die Nazis den Laden boykot-
tierten und sie nicht mehr in Hamburg blei-
ben konnte, arbeitete sie in Berlin zuerst als
Stenotypistin und sp"ter als Sozialsekret"rin
in einer groþen Baufirma. IM45 stellte sie
ihre Arbeit und ihr K–nnen sofort wieder in
den Dienst der Arbeiterschaft.
Lie Berliner waren zuerst nicht wenig er-
staunt, als man ihnen eine "Stadtmutter"
pr"sentierte, doch sie hatten schnell heraus,
daþ die Leitung ihrer Stadt bei dieser Frau
in sicheren H"nden war, und gar bald h–rte
man allenthalben nur von "unserer Louise"
sprechen. Ihre warmherzige M¸tterlichkeit
wurde von jedem wohltuend empfunden, und
ihre pers–nliche Bescheidenheit - sie teilt
mit vielen das gleiche Schicksal des Aus-
gebombtseins und lebte auf nur einem ein-
zigen Zimmer - wurde allerorts ger¸hmt.
In dem Gew¸hl der Untergrundbahnh–fe und
in den ¸berf¸llten Straþenbahnz¸gen konnte
man ihr oftmals begegnen. Wurde sie unter-


wegs angesprochen, so hatte sie ein aufmerk-
sames Ohr f¸r jedwedes Anliegen. Sie half,
wo es nur irgendwie zu helfen m–glich war.
Nicht nur klar, sachlich und bestimmend,
sondern auch ausgleichend und verhand-
lungsbereit, Gegens"tze immer wieder ¸ber-
br¸ckend, stand sie unbeirrbar und vorbild-
lich mit kluger und schlichter Menschlichkeit
an der Spitze der Verwaltung dieser groþen
Stadt in einer Zeit h–chster leiblicher und
seelischer Not, inmitten schwerster poli-
tischer Konflikte, in einer Zeit also, die an
das Oberhaupt einer Stadt Anforderungen
stellte, denen der st"rkste Mann kaum ge-
wachsen war.
Vor kurzem sagte sie auf einer Tagung:
ãWenn ich als Frau k"mpfe, dann um der
Menschheit willen. Ich bin mir bewuþt, daþ
ich eine Verantwortung erhalten habe, wie
sie bisher in Ileutschland noch keiner Frau
auferlegt wurde."
Durch ihre aufopferungsvolle Arbeit ist sie.
die, wie die Berliner schon immer sagten,
"nur eine halbe Portion" darstellte, nur mehr
ein Schatten ihres Selbst geworden, und die
Berliner hoffen, daþ sie recht bald wieder
ihre Gesundheit erlangen m–ge.
Ihr Leben und ihr Wirken kann ein Ansporn
sein f¸r alle Frauen und M"dchen, ihre Kraft
noch mehr als bisher in den Dienst der All-
gemeinheit zu stellen.             K. B.
EINE PUTZ FRAU
ALS B ETR I E BSRAT?
Die Schreibmaschine klappert. Hinter der
Schreibmaschine sitzt eine junge, h¸bsche
Stenotypistin, und ihre Finger fliegen flink
¸ber die Tasten.
Ich diktiere: -..und anschlieþend wurden
von der Betriebsversammlung folgende Kol-
leginnen und Kollegen in den Betriebsrat
gew"hlt: Heinrich M–llers, Schlosser; August
Peters, Dreher; Anna Melchers, Putzfrau..."
Die Stenotypistin blickt auf. Ein L"cheln
huscht ¸ber ihre Z¸ge, ein geringsch"tziges,
zweifelndes L"cheln. "Nun", frage ich,
"warum l"cheln Sie?" Etwas z–gernd und
verlegen kommt die Antwort: "Ach, ent-
schuldigen Sie bittet Aber eine Putzfrau als
Betriebsrat?" .Warum sollte sie das nicht
k–nnen?' antworte ich, "Aufgabe des Be-
triebsrates ist es beispielsweise, die Inter-
essen der Arbeiter gegen¸ber den Arbeit-
gebern zu vertreten. Ein gesunder Menschen-
verstand, wachsame Augen, ein gerader
Charakter und etwas Entschlossenheit das
sind Dinge, die einen Betriebsrat ausmachen.
Da spielt der Beruf keine Rolle!"
ãJa, aber", antwortet z–gernd, eine Aus-
flucht suchend, Fr"ulein Erika, "eine Putz-
frau verf¸gt doch nicht ¸ber gen¸gend Bil-
dung und K–nnen denn", sie gleitet mit dem
rechten Zeigefinger ¸ber die mittlere Tasten-
reihe, "sonst w"re sie ja gar keine Putzfrau
geworden!" "Sie irren doppelt", antworte


ich. "Einmal sind in Deutschland die Ver-
h"ltnisse durchaus nicht so, daþ jeder den
Beruf erlernen kann, f¸r den er geeignet und
f"h.g ist, und zum anderen ist der Beruf
der Putzfrau ein Glied in der Kette aller
notwendigen Berufe und erfordert Fleiþ und
Geschicklichkeit an seinem Platze wie jede
andere Arbeit auch."
Da Fr"ulein Erika immer noch ungl"ubig
guckt, f¸ge ich hinzu: äAuch eine Putzfrau
muþ das Recht haben, f¸r ihre Berufsinter-
essen einzutreten." ãJa, aber eben das kann
sie ja nicht", antwortet Fr"ulein Erika mit
Betonung und f¸gt, selbstsicher geworden,
hinzu, "sie kann es nicht, weil sie dazu
nicht f"hig ist!" "Na, na", sage ich, "was
Sie jetzt gesagt haben, hat mit Logik nicht
viel zu tun. Nur die Putzfrau selbst kann
ihre Interessen wirklich gut vertreten, weil
sie am besten ihre Berufssorgen und -n–te
kennt. Die geeignetsten Vertreter von Be-
rufsinteressen sind immer die Arbeiterinnen
oder Arbeiter, die diesem Beruf angeh–ren!"
Schweigen - Fr"ulein Erika dreht an der
Walze... Dann sagt sie etwas stockend
und unwillig: "Ich bin sechs Jahre zur
H–heren Schule gegangen - - aber das
verstehe ich nicht - - eine Putzfrau..."
Da geht die T¸r auf. Herein kommt Fr"u-
lein Inge, die Stenotypistin aus Abteilungl.
"Ah, guten Tag Fr"ulein Ingel Fr"ulein
Erika und ich haben uns soeben dar¸ber
unterhalten, ob eine Putzfrau Betriebsrat
sein kann oder nicht." Fr"ulein Erika er-
r–tet sie blickt mich emp–rt an. Das soll
heiþen, nicht erz"hlen. Aber ich erz"hle.
"Sie haben ganz recht!" sagt Fr"ulein Inge
zu mir. "Unsere Putzfrau dr¸ben zum Bei-
spiel ist wirklich in Ordnung, Ihr w¸rde
ich ohne weiteres meine Stimme geben." -
"Ubrigens", sagt sie zu Fr"ulein Erika und
zieht die Nase kraus, .sechs Jahre H–here
Schule habe ich auch hinter mir! Aber mein
Chef, der hat dazu noch ein Dutzend
Semester Rechtswissenschaft studiert. Und
trotzdem will er mir einreden. daþ ich
keinen Anspruch auf Bezahlung meiner
Uberstunden habe..."
ãIch meine, das ist so: ein Betriebsrat muþ
f¸r seine Kollegen eintreten. Sicher kann er
das besser, wenn er gut gebildet ist. Aber
was n¸tzt die sch–nste Bildung, wenn der
Betriebsrat dabei vergiþt, daþ er eigentlich
Interessenvertreter seiner Kollegen ist. Des-
halb sind meiner Meinung nach ein ehrlicher,
aufrichtiger Charakter und gen¸gend Zivil-
courage gegen¸ber der Betriebsf¸hrung das
wichtigste an einem Betriebsrat."
"Hier, dieses Schreiben soll ich Ihnen
geben!" sagt Fr"ulein Inge dann zu mir und
reicht mir einen Brief. "Ich muþ laufen!
Ich habe wenig Zeit. Tsch–l" "Tsch–!" sagt
Fr"ulein Erika nachdenklich, und nach einer
Weile: "Wollen wir weiterschreiben?" Sie
blickt mich fragend an. Ich diktiere weiter.
Fr"ulein Erikas Finger tanzen wieder ¸ber
die Tasten. Die Schreibmaschine klappert.
Ernst Voges


FRAUEN IM OFFENTLICHEN LEBEN


Auf einer sozialdemokratischen Frauen-
tagung in Wuppertal, an der Frauen aus den
drei westlichen Zonen, aus Berlin und aus
vielen europ"ischen Staaten teilnahmen,
wurde in einer Entschlieþung gefordert, daþ
die weiblichen Jugendlichen bei der Ver-
gebung von Lehrstellen entsprechend der
Gesamtzahl der schulentlassenen Jugend
prozentual ber¸cksichtigt werden.
Wo die vorhandenen M–glichkeiten in In-
dustrie, Handel und Handwerk nicht aus-
reichen, wird die Einrichtung von Lehrlings-
werkst"tten durch die zust"ndigen Ÿmter
f¸r Berufserziehung und Berufsausbildung
gefordert. Durch Aufkl"rung bei den Eltern
und Lehrmeistern sollen ¸beralterte Vor-
urteile gegen eine geordnete Berufsausbil-
dung der weiblichen Jugendlichen beseitigt


werden, denn, so heiþt es in der Entschlie-
þung weiter, die Frauenerwerbsarbeit ist
heute keine Ubergangserscheinung mehr
zwischen Schulentlassung und Verheiratung,
sondern der Beruf muþ den Frauen heute,
bedingt durch den Frauen¸berschuþ, sowohl
wirtschaftliche Grundlage als auch Lebens-
inhalt sein.
Wie die "Frankfurter Rundschau" meldet,
erhalten ab 1. Juli die weiblichen Arbeit-
nehmer des Hessischen Groþhandels bei
gleicher Arbeitsleistung denselben Lohn
wie ihre m"nnlchen Kollegen.
Diese Regelung wurde tariflich festgelegt im
Einvernehmen zwischen den Arbeitgebern
und der Landesgewerkschaft Hamburg.


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