Mahagonny. com 
 
gleichnamigen von Klaus Ronneberger herausgegebenen Buch zur 
totalen Vermarktung der Innenstädte.17 Dennoch greift die Rede vom 
" Diskurstheater" als Schema für Polleschs Produktionen zu
kurz, weil die 
Grundhaltung der soziologischen Analysen auf der Szene selbst 
ironisiert wird, weil die Möglichkeit eines individuellen, kritisch

beurteilenden Standpunktes in der Hypertrophie seiner abstrakten 
Sprachformeln radikal aufs Spiel gesetzt wird. Im Unterschied zu einer 
bloßen  Inszenierung  aktueller  Diskurse  über  Stadtpolitik,

Selbstausbeutung und Entfremdung arbeitet Pollesch immer zugleich 
an den Heterotopien des Theaters.  So findet bei ihm  das 
Nachdenken über den Theaterapparat und die Thematik der 
Entfremdung im  Kurzschluss von  Arbeit und  Konsum  ihren 
gemeinsamen Niederschlag im Problem des Ortes. Seit der ersten 
Folge über die Heimarbeiterin Heidi Hoh verzichtet Pollesch bewusst

auf die übliche Verortung der Szene. Anstatt im Theater auf einen 
anderen Ort zu verweisen, andere Orte abzubilden, geht es gerade 
um  die Unmöglichkeit der Orientierung: "Wir wollten darüber

nachdenken, was die Orte ausmacht, an denen Menschen nicht 
mehr wissen, ob sie zu Hause sind oder im Betrieb."'18 Das Theater soll

sich als Teil einer Wirklichkeit begreifen, in der es keine homogenen 
Orte mehr gibt.19 Die völlige Durchdringung der traditionell getrennten

Räume des Öffentlichen und Privaten, der Arbeit und des Konsums,

der Kunst und der sozialen Wirklichkeit markiert nach Foucault aber 
auch die Ablösung der Utopien durch Heterotopien: 
Die Utopien trösten; wenn sie keinen realen Sitz haben, 
entfalten sie sich dennoch in einem wunderbaren und 
glatten Raum, sie öffnen Städte mit weiten Avenuen, 
wohlbepflanzte Gärten, leicht zugängliche Länder, selbst 
wenn ihr Zugang schimärisch ist.  Die Heterotopien 
beunruhigen, wahrscheinlich weil sie heimlich die Sprache 
unterminieren, weil sie verhindern, daß dies und das benannt 
wird, weil sie die gemeinsamen Namen zerbrechen oder sie 
verzahnen, weil sie im voraus die 'Syntax' zerstören, und nicht 
nur die, die die Sätze konstruiert, sondern die weniger 
manifeste, die die Wörter und Sachen ... 'zusammenhalten' 
läßt.20 
Brechts Mahagonny ist nur, so heißt es im Songspiel wie auch in der

Oper, "weil alles so schlecht ist /.../ Und weil es nichts gibt / Woran

man sich halten kann."21 Der Verlust allen Halts, nicht nur des 
Zusammenhalts der Wörter und Sachen, spielt sich wesentlich auf 
dem Feld und im Register der Sprache ab, die buchstäblich 
auseinander fällt, wenn bloß noch das Geld zählt: "Aber
dieses ganze 
Mahagonny / Hat nichts für euch wenn ihr kein Geld habt /.../ Drum 
ist's das Geld nur, woran man sich halten kann."22 Was aber ist dann

Mahagonny? Die Antwort liegt schon außerhalb des Werkes und 
verweist doch in paradoxer Weise gerade auf seine Funktion als Werk, 
 
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