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Leute zeigen unbelehrbar ihre Transparente, auf denen sehr 
verschiedene Dinge stehen, die ich übrigens nicht für unsinnig
halte, 
es sei denn, die Realität ist unsinnig, aber wo ich u.a. eine grausige

Bestimmung flacher Religiosität finde. Aber warum diese Katastrophe

und wie habt ihr sie inszeniert? 
Peter Konwitschny. Das Stück zeigt bis zu diesem Punkt kapitalistische

Verhältnisse. Irgendwann funktioniert das nicht mehr. Einer kommt 
drauf, dass alles erlaubt sein muss, dass die Verbote uns am Glück 
hindern. Alles wird erlaubt, wenn man es bezahlen kann. Auf 
wundervolle Weise kommt dann derjenige, der das erfunden hat, an 
den Punkt, wo er kein Geld mehr hat. An ihm selbst wird äußerlich

abgeleitet, dass das so nicht funktioniert, bzw. natürlich funktioniert
es. 
Nur, wenn es funktioniert, bedeutet es, dass ein Mensch gar keinen 
Wert mehr hat, außer dem Geldwert. Das ist der letzte Zynismus, wenn

der Mensch selbst als Gott, als sein eigener Gott, eine solche 
Gesellschaft in Gang setzt, die auch wirklich alternativlos funktioniert.

Es ist eigentlich ein Epilog, was danach kommt: Es musste bewiesen 
werden, und was daraus folgt, ist der Untergang. Ich glaube auch, 
dass die Sprüche der Transparente nicht sinnlos sind. Nur sind sie völlig

unsinnig in diesem Kontext und insofern ist es auch wieder sehr gut. Es 
gab auch Kritikerstimmen, die sagten, diese ganzen Transparente mit 
den Forderungen seien der Schnee vom vergangenen Jahr und das 
müsse man heute völlig anders machen, darum ginge es gar nicht

mehr. Das glaube ich nun überhaupt nicht. Darum geht es sehr wohl 
noch. Es ist bloß etwas verdeckter und gefährlicher für uns
alle 
geworden, darüber zu sprechen. 
Gerd Rienäcker Du inszenierst die Szene, dass sie auf uns im Publikum

zurollt. 
Peter Konwitschny. Ja, das Orchester ist im Hintergrund, aber nur im 
letzten Akt. Am Anfang sitzt das Orchester im Graben und da, wo 
Paul Ackermann die Verhältnisse auf den Kopf stellt, im 2. Akt, steht

auch das Orchester sozusagen Kopf: aus dem Graben auf die 
Hinterbühne. Am Schluss fährt dieses Orchester auf einer Tribüne
bis 
ganz an die Zuschauer heran, über den überbauten Orchestergraben

hinweg an die erste Reihe der Zuschauer. Paul Ackermann ist 
übrigens auf seinem Stuhl in den Boden versunken, als Zeichen für
die 
Hinrichtung, und da bleibt ein Loch bis zum Schluss. Das sieht man 
auch, und über das Loch fährt quasi dieses Orchesterpodest. Der

Chor ist dahinter auf einer Tribüne und die Solisten sind rechts und
links 
vom Orchester. Das Orchester kommt also sehr langsam, in etwa 12 
Minuten, auf die Zuschauer zu. 
Gerd Rienäcker Hat das irgendwas mit der Musik zu tun?  Da 
passieren ja auch ganz merkwürdige Dinge. 
 
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