Heinz Brüggemann 
 
"Geldpapier" unterm Hemde (Mahagonny, S. 14f.), metonymisch 
ganz nah den billigen Häuten, hier und heute getauscht wird. 
Das Programm der Jubiläumssaison des Luna-Parks Berlin im Jahre 
1929 weist eine Folge von 100 Welt-Attraktionen auf, u.a. den 
Hydrodrom, die Afrika-Schau, den Wolken-Flug und natürlich jeden 
Freitag, 8 Uhr abends auf dem Dempsey-Podium Boxkämpfe "Der 
ständige  Ring."12  Dann  folgt in  emblematisch-allegorischer,

topographischer Verdichtung nicht der Verlust der Mitte, sondern eine 
ungeahnt andere, die keine mehr ist: 
Stellt den Bartisch auf 
Dort unterm Gummibaum: 
Das ist die Stadt. 
Das ist ihre Mitte 
Und sie heißt: 
'Das Hotel zum Reichen Manne". (Mahagonny, S. 9) 
Das Hotel, ein transitorischer Nicht-Ort als Mitte der Stadt, ja als Mitte

der Welt, dieser Welt.     Nach   Kracauers zeitdiagnostisch 
geschichtsphilosophischer Konfrontation der Kathedrale mit der 
Hotelhalle als einem "Raum der Beziehungslosigkeit," einer Freiheit,

"die nur sich selber meinen kann und darum in Entspannung und 
Indifferenz  vergeht,"13  vor  Musils  Situierung--in  historischer

überblendung-auch der neusachlichen jeunesse dor6e im Hotel, 
besser noch in der gläsernen Drehtür, im Moratorium als Raum eines

formlosen Lebens,14 ist das ein weiteres Raum-Emblem der Moderne 
zwischen den Kriegen. Das Hotel, die Mitte der Paradiesstadt-von 
welchem zivilen Paradies ein Gummibaum zu zeugen weiß wie wenig 
später die Palme in Benjamins Loggien--, sie erscheint als Antwort auf

einen Zustand, ein Ort des Heils und des Heilens ("Die Zi-zi-zi-zi-

zivilis / Die wird uns dort geheilt," Mahagonny, S. 15), zudem ein 
zweideutiger, wortspielerischer Ort des Nachfragens, will sagen: der 
Nachfrage in einem ganz und gar ökonomischen, marktgesetzlichen 
Sinn ("Dort wurde gestern erst nach euch gefragt," Mahagonny, S.

13). 
Doktor Freud, der bekanntlich Kultur und Zivilisation nicht trennt, 
stellt der modernen Gesellschaft in "Die Zukunft einer Illusion"
die 
Diagnose einer in Zwang und Versagung begründeten virtuellen 
Kulturfeindschaft jedes Einzelnen und erwägt: 
Man sollte meinen, es müßte eine Neuregelung der 
menschlichen Beziehungen möglich sein, welche die Quellen 
der Unzufriedenheit mit der Kultur versagen macht, indem sie 
auf den Zwang und die Triebunterdrückung verzichtet, so daß 
die Menschen sich ungestört durch inneren Zwist der 
Erwerbung von Gütern und dem Genuß derselben hingeben 
könnten. Das wäre das goldene Zeitalter, allein es fragt sich,

ob ein solcher Zustand zu verwirklichen ist.15 
 
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