Mahagonny. com 
 
Mahagonny, ein schillernder Begriff mit durchaus enigmatischen 
Tendenzen, ist eine metaphorische Bezeichnung, die schon zu Brechts 
Zeiten mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen war-von den 
"Braunhemden" und dem Kleinbürgertum bis zum Exotismus des

Mahagoni-Holzes und fiktiver Örtlichkeit in einem Schlagertext. Auch

heute noch besitzt der Begriff ein kreatives Potential. Vor der Folie der

Metropolen ruft die Netzestadt Mahagonny vielfältige Assoziationen 
hervor: Goldstadt, Paradiesstadt, Spaßgesellschaft; Stätte von
Lust, 
Destruktion und Untergang; Parvenüpolis, Passage und Hohlraum 
zugleich. Fünfundsiebzig Jahre nachdem Brecht und Weill ihre Oper 
komponierten, bestehen Kontinuitäten ebenso wie Brüche und 
Variationen. Das Netz ist nicht mehr nur ein Mittel von Herrschaft und 
Abhängigkeit, sondern auch von Kommunikation und Vernetzung; der 
Nicht-Ort Mahagonny steht nicht nur für die Destruktion von Utopie 
und für Dystopie, sondern auch für die Perspektive von Heterotopien.

Diese ambivalente Konstitution spiegelt sich auch im Titel des 
Symposiums: "Mahagonny.com"--und manifestierte sich in den 
wissenschaftlichen Beiträgen des Symposiums. Von den vielen sehr 
guten und interessanten Vorträgen, die zur Veröffentlichung im

Jahrbuch eingereicht wurden, haben wir eine repräsentative Auswahl 
getroffen, die das breite Spektrum der Problemstellungen in fünf 
Sektionen sichtbar macht: U-topos, Kontext, Musik, Text und Echo. 
Außerdem werden die drei Plenarvorträge und ein Podiumsgespräch

mit dem Regisseur Peter Konwitschny und dem Dramaturgen Werner 
Hintze der Mahagonny-Inszenierung an der Hamburger Staatsoper 
veröffentlicht. Wir haben versucht, philologische, philosophische und

soziologische  Perspektiven  ebenso     wie    musik-und 
theaterwissenschaftliche, historische und zeitgenössische Sichtweisen

gleichermaßen zu berücksichtigen.  Darüber hinaus galt unser

besonderes Interesse zum einen interdisziplinären Bezügen und zum

anderen neuen Impulsen von jungen Wissenschaflter/innen, die sich 
mit Brecht beschäftigen. 
Der wissenschaftliche Austausch der über 120 eingeschriebenen 
Symposiumsteilnehmer wurde durch vielfältige Veranstaltungen und 
Aktivitäten eines kulturellen Rahmenprogramms ergänzt: von Peter

Zadeks Inszenierung von Brechts Mutter Courage und ihre Kinder am 
Deutschen Theater, Claus Peymanns Die Mutter am Berliner Ensemble, 
der Aufführung der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, 
produziert von der Hanns Eisler Musikhochschule (Regie Alexander 
Busche, musikalische Leitung Jörg Iwer) bis zu einer modernen 
Straßentheater-Version  von  Mahagonny  der  brasilianischen 
Theatergruppe GRUPA, geleitet von Lenine Martins Alves, und dem 
Gastspiel des Kindertheaters von Minneapolis (USA) mit der 
Bühnenadaptation eines Märchens von Edwin Hörnle mit Gedichten

von Brecht und Musik von Eisler und Weill.  Plenarvorträge, 
Podiumsdiskussionen, eine Vorführung der filmischen Dokumentation 
der Mahagonny-Aufführung von 1979 in der Komischen Oper Berlin, 
Empfänge in der Akademie der Künste und im Brecht-Haus sowie ein

 
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