Promoter, Konsumenten und Kritiker 
 
ders eingestellter Zeitungen mochten die Glosse als eine Aufforderung 
lesen, sich gegen die Habe-Euphorie des Springer-Konzerns zu stel- 
len. In der Tat erschienen die ersten kühlen oder negativen Besprechun-

gen des Buchs nach dem 16. Juni. Am 20. Juni veröffentlichte die Nord-

seezeitung eine eindeutig negative Rezension, und einige Tage später

äußerte sich der Rezensent der Saarbrücker Zeitung (21./22.
6. 69) sehr 
zurückhaltend zu dem neuen Bestseller. 
Eine zweite Ursache ist wahrscheinlich das veränderte literarische Kli-

ma der späten sechziger Jahre. War es in den fünfziger Jahren unter

dem Einfluß einer elitär orientierten Literaturtheorie kaum zu
rechtferti- 
gen, einen sogenannten Unterhaltungsroman zu behandeln, so kam da- 
gegen in den sechziger Jahren die literarische Revolution mitsamt ihrer 
Auflösung des literarischen Kanons einem Schriftsteller wie Hans Habe

zugute. Marcel Reich-Ranicki gab sich ein wenig verspätet als Entdek-

ker des Unterhaltungsromans aus. Selbst in der Zeit war er keinesfalls 
der erste, der sich mit diesem Genre beschäftigte. Das steigende Inter-

esse der akademischen Kritik an der Trivialliteratur, selbst wieder ein 
Reflex der poetologischen Umschichtungen während der sechziger Jahre,

wirkte sich auch auf die aktuelle Buchkritik aus. Der jeweilige Stand der

wissenschaftlichen Diskussion zeichnete sich mit der zu erwartenden 
Verspätung, die sich aus dem Übergang von einem Kommunikations-

raum zu einem anderen ergibt, im Besprechungsteil der Zeitungen ab. 
Während Robert Neumann zu Beginn der sechziger Jahre in seiner Arti-

kelserie Kitsch as Kitsch can (21. 9.-5. 10. 62) noch ohne Bedenken mit 
dem Kitschbegriff arbeitete und sich auf Walther Killy und Walter Nutz 
berief, argumentierte W. Rieger 1970 anläßlich einer Sammelbespre-

chung von Simmels Romanen ideologiekritisch.33 Gegen Ende der sech- 
ziger Jahre hat sich in der Literaturkritik die Forderung, daß auch
Un- 
terhaltungsliteratur, ja gerade die von einem breiten Publikum konsu- 
mierte Literatur, der kritischen Beurteilung bedarf, noch nicht allge- 
mein durchgesetzt, aber die Kritiker sind aufgeschlossener. 
Im Längsschnitt hebt sich die Wirkungskurve von Habes Roman, 
dargestellt durch die Anzahl der monatlich erschienenen Rezensionen, 
nicht erheblich von der anderer Bestseller ab. Das Netz hat sich etwas 
länger im Gespräch gehalten als üblich, nicht zuletzt dank
der wieder- 
holten Notizen in der Springer-Presse. Zwischen dem hohen Anfangser- 
folg im Mai und der größten Besprechungsintensität im Oktober
liegt 
das Tal der sommerlichen ,Saure-Gurken-Zeit'. Nach dem Oktober fällt

das Interesse langsam ab; im Frühjahr 1970 erscheinen noch gelegent-

33 Fluchtburgen vor der Wirklichkeit. Politisches Bewußtsein und Trivial-

literatur. In: Die Zeit, 17. 4. 70, S. 23. 
 
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